Expedition Dankbarkeit, Talk in der Huma, Veranstaltungen

Boatpeople, Nachhaltigkeit und neues Leben – wofür sich Engagement lohnt

Kaum zu glauben, aber tatsächlich war es schon der fünfte Talk in der Huma, der am 24.9.2021 stattgefunden hat. Noch einmal haben wir uns digital getroffen. Und immer wieder ist es auch überraschend, welch dichte und intensive Gesprächsatmosphäre entstehen kann.

Auch dieses Mal waren zur Expedition Dankbarkeit, zu unserem Jahresthema, drei spannende Gäste mit unterwegs:

Unter der bewährten Moderation der Journalistin Claudia Nothelle haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im besten Sinne des Wortes über Gott und die Welt ausgetauscht.

Die Sankt Augustiner Hebamme Claudia Schlich („Hebamme aus Leidenschaft“) hatte gleich bei der Einladung zur Teilnahme angemerkt, gerade das Thema der Dankbarkeit passe bei ihr besonders gut. Das wurde auch im gesamten Talk deutlich – was hat sie in ihrer bereits langen Berufserfahrung nicht schon alles erlebt. Und ihre positive Lebenseinstellung und die grundsätzlich dankbare Haltung verliert trotzdem auch nicht das Scheitern aus dem Blick. Sicher kommt auch gerade das vor im Beruf der Hebamme, so, wenn z.B. ein Baby geboren wird, das keine Chance auf Weiterleben hat. Dann braucht auch sie Menschen, die sie auffangen. Die findet sie allem voran in ihrer Familie, darauf ist Verlass. Und „wenn es ganz schlimm kommt, dann gehe ich in die Kirche“. Ihr Blick in die Zukunft führt zur Realisierung eines für Sankt Augustin und die kommenden Babies sehr konstruktiven und beeindruckenden Projekts: Sie plant für die nächsten Jahre mit Kolleginnen in der Stadt ganz konkret eine Möglichkeit, die geburtshilfliche Situation in Sankt Augustin und Umgebung zu verbessern, hat sich doch gerade durch die Schließung mehrerer Abteilungen in umliegenden Krankenhäusern nahezu ein Notstand entwickelt. Die Hebammen der Stadt wollen Neuland betreten − sie planen das Hebammenhaus Rhein-Sieg. Wenn auch die Corona-Pandemie für die Geburten sehr problematische Rahmenbedingungen mit sich gebracht hat, so gibt es doch auch learnings aus der Zeit, die, so Claudia Schlich, man auch für die Zukunft hoffentlich mitnehmen wird: so etwa die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mütter, der Neugeborenen, der jungen Familie.

Mit unterwegs war auch der Architekt Heinrich Geerling – ein Architekt, der sich vor allem dem Thema der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN sind ihm ein zentrales Anliegen, er will sie nicht nur in weiter Ferne, sondern auch konkret vor Ort implementiert sehen. Bei einer dementsprechenden Veranstaltung in Sankt Augustin ist dann auch der Kontakt für diese Talk-Veranstaltung entstanden. Architektur versteht er als die Kleidung des Menschen im sozialen Kontext – also auch ein letztlich nachhaltiges Thema. Mit der Architektur sieht er auch die Landschaftsgestaltung eng verbunden. Für ihn liegen diese Themen letztlich alle gar nicht weit auseinander, sondern führen verschiedenen Perspektiven zusammen zu der Frage der Nachhaltigkeit. Diese aber ist in der Verbindung der verschiedenen Facetten nicht ganz einfach zu haben, denn es entstehen immer Dilemmata, die es auszuhandeln und aufzulösen gilt. Tatsächlich konnte er unter dieser Nachhaltigkeitsperspektive auch positive Effekte der Corona-Pandemie und der Entwicklung des Digitalen erkennen – nicht alles ist da nur von Nachteil.

Als dritte Teilnehmerin war Christel Neudeck dabei – bekannt geworden ist die heute 78-Jährige (mit ihrem bereits verstorbenen Mann Rupert) durch ein höchst beeindruckendes, zutiefst humanitäres großes Projekt, nämlich den gemeinnützigen Verein Cap Anamur, der 1979 entstand und zunächst vor allem im Einsatz für die Rettung der vietnamesischen Boatpeople war. Beeindruckend die Schilderungen vom Entstehungskontext: In den 70-er Jahren gingen die Bilder aus dem südchineischen Meer über alle Medien (damals waren das aber z.B. nur zwei Fernsehkanäle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens) und, so Frau Neudeck, man fühlte sich sehr hilflos. Diese Hilflosigkeit hat dann aber bei ihr und ihrem Mann nicht zur Lethargie geführt, sondern im Gegenteil dazu, dass der Wunsch, hier dringend zu helfen, auf Umsetzung drängte.

Über verschiedene Kontakte, u.a. mit Heinrich Böll, den Rupert Neudeck persönlich kannte, wurde der Verein gegründet. Zunächst wuchs das Spendenkonto in rasantem Tempo an. Dahinter haben aber Rupert und Christel Neudeck den Auftrag erkannt, ein eigenes Schiff für die Boatpeople zu starten. Interessanterweise sind das alles Themen, die uns im Blick auf jüngste Flüchtlingsfragen wieder hoch aktuell und bekannt vorkommen. Wenn Christel Neudeck auch heute nicht mehr für ihre Projekte (neben „Cap Anamur“ vor allem noch die „Grünhelme“) durch die verschiedenen Länder reist, so liegen ihr doch die sozialen und politischen Ungerechtigkeiten, z.B. in der Frage der Verteilung des Corona-Impfstoffes sehr am Herzen. Die vielen Erfahrungen in zahlreichen Ländern weiten, so Frau Neudeck, die eigene Wahrnehmung und den jeweiligen Horizont in eindrucksvoller

Weise: Besonders beeindruckend Neudecks Perspektive auf die Frage nach der Dankbarkeit, im Blick auf die Freiheit, die wir hier genießen, gerade wenn man weiß, wie es in anderen Ländern zugeht, im Blick auf die Freiheit, heute für das Klima auf die Straße zu gehen, auf die Freiheit, unseren Staat und unsere Gesellschaft kritisieren zu können.

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Alle drei Podiumsteilnehmer:innen gab es auch große Bereitschaft, die großen Fragen des Lebens anzusprechen, nämlich über Religion, Glauben und Gott zu sprechen. Die große Offenheit hierzu und die gleichzeitige Ernsthaftigkeit in diesen Überlegungen brachten spannende Perspektiven hervor: den Gedanken der Interreligiösität. die Frage nach den unterschiedlichen Gottesbildern, nach dem Paradies, aber auch nach der Pflicht der Kirchen, in dieser Gesellschaft aktiv und engagiert zu sein. Schließlich: Keine:r der Teilnehmer:innen brauchte eine Zeitmaschine in die Vergangenheit, um die Weichen im eigenen Leben an irgendeiner Stelle anders zu stellen als sie gestellt waren. Dankbarkeit für das Gewesene und Hoffnung auf eine positive Weiterentwicklung prägte für alle das Abschluss-Statement.

Titelbild (Composing): Photo by Aaron Burden on Unsplash

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